Die Geschichte unseres Kräuterhofes

Martha Mulser erzählt

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Gäste, die 1979 und 1980 auf unserem Hof ihren Urlaub verbrachten, gaben uns den ersten Anstoß, es mit dem Kräuteranbau zu versuchen. Mein Mann Richard und ich konnten uns damals noch nicht viel darunter vorstellen. Diese Gäste, Familie Weiling, besaßen ein Reformhaus in Norddeutschland. Sie klärten uns auch über die biologische Landwirtschaft auf. Durch sie lernten wir Familie Grais aus Morter (Vinschgau) kennen, die für Südtirol die Pionierarbeit im biologischen Landbau geleistet hat. Dies war der Zeitpunkt, wo wir unseren Hof auf „Bio“ umgestellt haben.
 
Anfang 1982 teilte uns Familie Grais mit, dass im biologischen Landeslabor in Leifers am 12. Februar 1982 ein Vortrag mit Herrn Abraham Heinrich, einem Kräuterspezialisten, stattfinden würde. Das Thema handelte von den Möglichkeiten des Kräuteranbaus in Südtirol.
 
 

Der Anfang

Ich sollte auch noch ein paar Leute darüber informieren. Bei diesem ersten Treffen waren wir 8 Interessierte (Elisabeth Kröss, Anna und Karl Grais, Martha und Kuno Schraffl, Maria Mayrl, Jula Tirler und Martha Mulser). Herr Heinrich Abraham bot uns an, das notwendige Pflanzenmaterial für den Anfang zur Verfügung zu stellen.
 
Ende Mai 1982 war es dann soweit und wir bepflanzten das ca.100m² große Tabakackerle (unterhalb der Ruine - sehr steil), mit Salbei, Ysop, Thymian, Melisse, Pfefferminze, römische Minze, Ringelblume, Eibisch, schmalblättrigen Sonnenhut, Weinraute und Baldrian. Im Oktober 1982 machten dann die ersten angehenden Kräuteranbauer Südtirols eine eintägige Lehrfahrt nach Poschiavo (italienischen Schweiz).
 
 

Der Kräuteranbau auf dem Pflegerhof war geboren.

 
Das klingt alles gut und schön, aber die Kräuter mussten auch vermarktet werden und das war kein einfaches Unterfangen. Unsere erste Abnehmerin war Kröss Elisabeth, die in Algund ein kleines Reformhaus besaß. Den Durchschnittspreis, den wir erreichten, war 15.000 Lire pro Kilogramm Trockenware. Ein nicht zufriedenstellender Betrag, besonders für Richard. Die Arbeit mit den Kräutern war sehr zeitaufwendig, aber wohltuend. Die Anfangsjahre waren harte Lernjahre, obwohl uns Herr Abraham beratend und mit Pflanzenmaterial zur Seite stand.
 
Mit dem ersten kleinen Bio-Markt im November 1986 in Algund auf dem Töllerhof hat die Direktvermarktung für unseren Betrieb angefangen. 1987 wurde der Bund Alternativer Anbauer (BAA), die erste Organisation für Biobauern in Südtirol, gegründet. Wir waren von Anfang an dabei. Die zwei bis drei Verkaufsveranstaltungen des BAA pro Jahr halfen uns, die Kräuter zu angemessen Preisen zu verkaufen. So erweiterten wir unsere Kräuteranbaufläche jedes Jahr um ein bisschen und auch die Pflanzenliste verlängerte sich.
 
1990 machten wir uns daran, eine Trockenanlage anzuschaffen, da die natürliche Trocknung der größeren Menge Kräuter nicht mehr möglich war. Von diesem Zeitpunkt an stand uns auch Herr Abraham wieder beratend zur Seite, der sich zwischenzeitlich mehr der Politik als den Kräutern gewidmet hatte. Die Firma Gramm Import war der erste Abnehmer größerer Mengen für ihre „Südtiroler Alpenkräuterbonbons“.
 
1992 startete der Kastelruther Bauernmarkt, eine willkommene Verkaufstruktur für unseren mittlerweile ziemlich gewachsenen Kräuteranbaubetrieb. Auf Betreiben der damaligen Direktorin des Tourismusvereins Frau Tiziana Gecchelin Fata wurden Kräuterwanderungen organisiert, welche auch Kunden auf unseren Hof brachten.
 
Anfang 1994 war ich nahe daran den Kräuteranbau aufzugeben, da Richard so krank war und auch Pflege brauchte. Doch er ermutigte mich immer wieder weiterzumachen, da ich nur mit dieser Einnahmequelle auf dem Hof bleiben könnte. Ansonsten hätte ich, wie er, auswärts arbeiten gehen müssen. Am 4. Oktober 1994 starb Richard und für mich und meine vier Kinder brach eine Welt zusammen.
 
 

„Für uns begann ein neuer Lebensabschnitt“

 
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Zum ersten Mal erschien unser Hof in einer italienischen Zeitung.
 
Hier einige Beispiele:
 
- Alpenländische Landwirtschaftsschau - Ein Tee bringt gute Laune
- Bericht aus der Zeitung Fränkische Nachrichten und Mannheimer Morgen
- Bericht aus der Tageszeitung Dolomiten
- Bericht aus dem WIKU
 
Es kam viel an Neuem auf mich zu, dass ich manchmal nicht mehr ein und aus wusste. Aber die Solidarität und Hilfsbereitschaft der Mitmenschen war es, die mich zum Durchhalten ermutigte. Es waren verschiedene Investitionen zu tätigen, wie die Fertigstellung des Schaugartens, ein Gewächshaus für die Pflanzenzucht, einen Verkaufsraum usw.
 
1995 haben wir den Kräuterschaugarten fertig gestellt, den noch Richard begonnen hatte. Der Schaugarten war für alle Besucher des Pflegerhofes bis Frühjahr 2009 zugänglich. Dort wuchsen an die 300 verschiedene Heil-, Gewürz- und Arzneipflanzen. In den folgenden Jahren wurden öfters Hofführungen für Gruppen angeboten, wobei alle Interessierten einen Einblick in die Welt der Kräuter erhielten. Unser Bekanntheitsgrad wuchs dadurch bis weit über die Grenzen Südtirols hinaus.
 
Heute steht dort wo einst der Schaugarten war der neue Hofladen.
 
Bericht aus dem Schlernboten (Winter 1998/99)
 
 

Umbauarbeiten

 
Durch die strengen gesetzlichen Vorgaben sahen wir uns verpflichtet, im Jahr 1999-2000 Umbauarbeiten an Haus und Hof durchzuführen. Wir benötigten getrennte Räumlichkeiten für die Trocknung, Lagerung und Verarbeitung. Somit wurde das Haus erweitert. Im oberen Teil wurden Ferienwohnungen geplant, welche zurzeit hauptsächlich für die Familie sowie für die Mitarbeiter und Praktikanten benötigt werden.
 
Seit dem Jahr 2000 bieten wir den Kunden nun auch eine Vielzahl von Kräuterjungpflanzen zum Kauf an. Für diesen Bereich ist meine Tochter Cornelia zuständig. Nach vollendeter Gärtnerausbildung und gesammelter Berufserfahrung hat sie die Jungpflanzenzucht auf dem Pflegerhof übernommen. Neben der Vielfalt von über 500 verschiedenen Jungpflanzen gibt es auch eine Auswahl an Fettpflanzen. Cornelia ist nicht nur Gärtnerin, sondern eine leidenschaftliche Kakteensammlerin.
 
Auch wenn der Kräuteranbau sehr arbeitsintensiv ist, so gehe ich gerne aufs Feld, um dort wieder neue Energie zu tanken (Zum Auftanken aufs Feld).
 
Im Zuge der Umbauarbeiten haben wir im Jahr 2000 in eine spezielle Entfeuchtungsanlage zur besonders schonenden Trocknung der Kräuter investiert.
 
 

Südtirolerin des Jahres

Im Herbst 2002 wurde ich überraschenderweise zur Südtirolerin des Jahres gekürt. Auf Anfrage der Zeitung „Die Südtirolerin“ begann ich in den folgenden Jahren mein Buch „Die Geheimnisse aus meinem Kräutergarten“ zu schreiben. Es erschien im Jahr 2004 (Bericht aus dem Schlernboten).
 
Da ich lieber auf dem Feld als unter Leuten bin, habe ich im Jahr 2003 den Bereich „Hofführungen“ meiner Tochter Maria übergeben. Seither ist sie für die geführten Betriebsbesichtigungen in deutsch, italienisch und englisch zuständig. Gemeinsam mit meiner Schwester Margareth und einigen weiteren Mitarbeitern führt sie heute die Interessierten durch die Felder.
 
 

Im Jahr 2003

Nun aber weiter mit der Geschichte: im Jahr 2003 kam ein größeres, beheizbares Gewächshaus hinzu. Nach jahrelanger händischer Ernte der Kräuter kauften wir in diesem Jahr auch eine Schneidemaschine für Kräuter.
 
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Auf diese Weise geht die Ernte der Kräuter viel schneller und schonender. Auch war es nun an der Zeit, eine Rebelmaschine anzuschaffen. Vorher hat diese Arbeit noch die Oma erledigt: ihre Aufgabe war es, die Stängel von den Blättern zu trennen. Diese Arbeit wird mittlerweile mit Hilfe der Rebelmaschine gemacht.
 
Bericht in der Zeitung „Vital“ aus dem Jahr 2005
Bericht in „Essen und Trinken“ aus dem Jahr 2006
 
 

Jahr für Jahr

Jahr für Jahr erweiterte sich unser Betrieb um ein Stückchen. Immer wieder habe ich neue Pflanzen bei Auslandsfahrten mit nach Hause gebracht und ausprobiert. Auch meine Tochter Cornelia hat seit Jahren dieselbe Leidenschaft wie ich.
 
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Im Jahr 2008 legten wir schließlich einige unsere Felder in Terrassen an. Seitdem ist das Arbeiten für uns noch angenehmer geworden. So wie auf dem Bild hier unten sah der Pflegerhof vorher aus.
 
Die letzten Terrassen legten wir im Jahr 2010 an, wie auf den Fotos ersichtlich ist.
 
 

Bau des Folienkalthauses

Im Jahr 2009 kam dann ein weiteres „Haus“ für unsere Jungpflanzen dazu: es kam zum Bau des Folienkalthauses.
Dabei half die ganze Familie fleißig mit.
 
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Hofladen

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Anfang 2012 erhielten wir die Baugenehmigung für unser neues Gebäude, in dem sich seit Mitte November 2012 der neue Hofladen befindet.
 
 

Große Überraschung

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Eine große Überraschung erlebte ich im Mai 2014: Ich war in diesem Jahr eine der sechs italienischen Frauen, die den nationalen Preis für innovative Projekte in der Landwirtschaft 'Premio De@Terra' erhielten. Im Landwirtschaftsministerium in Rom nahm ich die Auszeichnung entgegen.
 
 

2015: März - Endlich ist sie da! Die neue Abfüllmaschine

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Unsere Kräutertees gibt es nun auch in praktischen Pyramiden- oder Flachbeuteln.
 
 

Abschließend

Jahr 2017: Hofübergabe an meine Tochter Cornelia
 
Wir gingen alles der Reihe nach an und blicken heute dankbar auf die langsame, aber stetige Entwicklung des Pflegerhofes zurück. Danke an alle, die an uns geglaubt haben. Ein herzliches Dankeschön auch an unsere vielen treuen Kunden und alle interessierten
 
Martha Mulser
 
 
P.S. Für alle, die den Pflegerhof näher kennenlernen möchten, empfehle ich gerne den Film von Mareike Wegener und Hannes Lang: Gartenträume „Kräuterblüte in Südtirol“, der im Mai 2011 auf Arte ausgestrahlt wurde:
 
Am Besten ist natürlich, Sie kommen uns auf dem Pflegerhof besuchen!
 
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